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18. April 2024

Wie vermeide ich Treibhausgasemissionen?

Ob wir an einem Sonntagvormittag nur auf der Couch sitzen und ein Buch lesen oder von derselben Couch aus abends einem Spielfilm im TV folgen – unser Tun ist immer von CO₂-Emissionen begleitet. Diese sind jedoch sehr unterschiedlich. Während das mit unserer Atemluft ausgestoßene Kohlenstoffdioxid für die Umwelt unproblematisch ist, verhält es sich beim Fernsehen ganz anders, weil für dessen Betrieb Strom benötigt wird. Die Produktion von Energie ist einer der Hauptursachen für den menschengemachten Klimawandel. Stammt diese Energie aus erneuerbaren Quellen, von Solarpanels, Windrädern oder Wasserkraftwerken, sieht das Ergebnis schon viel besser aus. Aber unser Strom in Deutschland¹ wird zu 36,4% noch immer aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen (Kohle, Gas) generiert.

Was kann der/die Einzelne tun, um den eigenen Fußabdruck und damit den der Gemeinde, des Kreises, des Bundeslandes und am Ende des Landes zu reduzieren? Das ist keine Frage, die leicht zu beantworten ist. Es kommt immer auf die Voraussetzungen an, die sich für die Betrachtung vorfinden. Diese verschiebt sich bei einer Avocado je nachdem, welches Ziel man verfolgt. Sie ist gut für die Gesundheit, aber braucht Unmengen an Wasser (später mehr dazu). Und so ist das bei den meisten meiner hier gezeigten Beispiele. Hinzu kommen Bewertungen wie Platz- oder Energiebedarf (auch hierzu später mehr). Die meisten meiner Aussagen habe ich Büchern entnommen, die ebenfalls unterschiedliche Bewertungskriterien heranziehen. „Wie schlimm sind Bananen“ von Mike Berners-Lee kann ich uneingeschränkt empfehlen, auch wenn der Fokus auf dem Herkunftsland des Autors Großbritannien liegt. Es ist jedoch unterhaltsam und in leichter Sprache geschrieben, was es einfach macht, die Inhalte zu erfassen (Spoiler: Bananen sind gar nicht schlimm, gemessen an den Nährstoffen und den damit einhergehenden CO₂-Emissionen von 670 g/Kg sind Bananen ein großartiges Lebensmittel).

Die Welt war noch nie Nachhaltig, weil wir noch nie den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wurden, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Wir leben in der besten aller Zeiten mit all seinen technischen Errungenschaften und sollen uns jetzt plötzlich vom uns bekannten Umgang mit den Dingen lossagen, obwohl wir mit den falschen Vorsätzen aufgewachsen sind. Es muss und kann nicht
jeder in allen Punkten perfekt sein. Aber in Summe können wir gemeinsam einen Unterschied machen und in unserem täglichen Leben dafür sorgen, dass die Erde und unsere Nachkommen eine bessere Zukunft haben. Wir betreten hier sicher Neuland, keine vorherige Generation hatte das Wissen, die Technologien, politischen Systeme und internationalen Beziehungen, um beides gleichzeitig tun zu können – den Ansprüchen der Gegenwart gerecht zu werden und zukünftigen Generationen die Befriedigung ihrer eignen Bedürfnisse zu ermöglichen. Wir haben die Chance, als erste Generation der Menschheitsgeschichte Nachhaltigkeit zu erreichen.

Kommen wir zu den Fakten, die uns dazu anhalten sollen, innezuhalten und zu reflektieren, ob das alles richtig ist, was wir tun und wo wir ansetzen möchten, jeder für sich, um positiven Einfluss zu nehmen. An den nachfolgenden Beispielen wird schnell klar, wie komplex die Berechnungen von CO₂-Emissionen und anderen Faktoren sind und welchen Einfluss die Begleitumstände der Produktion haben. Es gibt nicht die eine korrekte Berechnung, weil eben unterschiedliche Ausgangspunkte zugrunde gelegt werden.

Allgemeine Zahlen, die man kaum glauben kann
  • Eine Portion Karotten ist gesund und aus Sicht der CO₂-Emissionen das Nonplusultra (0,7 g CO₂/Kalorie). Aber Vorsicht: 1 kg saisonal und lokal hergestellter Karotten generieren nur 280 g/Kg CO₂. Dasselbe Kilo kommt auf 830 g/Kg, wenn stattdessen Babykarotten gezogen werden. Und wenn dieses Kilo innerhalb Europas produziert und nach z.B. Deutschland geliefert wird, schlagen 900 g/Kg zu Buche.
  • Das genaue Gegenteil der Karotten ist Fast Food. Der Fußabdruck eines Cheeseburgers ist im negativen Sinne beeindruckend: Ein Plant-based-Burger ohne Käse kommt auf 360 gr. CO₂. Kommt Käse rein, summiert sich der Abdruck auf 630 gr. Mit Rindfleisch statt fleischlos verfünffachen sich die Emissionen auf 3,2 kg CO₂ pro Burger. Beim täglichen Verzehr eines Cheeseburgers mit Rindfleisch und Käse kommt man auf unglaubliche 1,2 Tonnen CO₂/Jahr.
  • Reis ist entgegen der allgemeinen Erwartung sehr CO₂-intensiv, da bei der Pflanzung und Reifung viel Methan entsteht. Die emittierten Äquivalente reichen von 3 kg CO₂/kg für effizient produzierten Reis bis hin zu 7,1 kg CO₂/kg bei schlechten Produktionsbedingungen mit exzessiver Düngung (1 Tonne Dünger für 3 Tonnen Reis).
  • Die jährliche weltweite Milchproduktion verursacht mehr CO₂ als der gesamte Flugverkehr rund um den Globus². Neben den 3,2 kg CO₂-Emissionen pro Liter müssen 628 L Frischwasser aufgebracht werden. Zum Vergleich: 1 L Haferdrink emittiert 900 gr CO₂ und braucht 48 L Frischwasser.
  • Fleisch deckt nur 17% des Kalorienbedarfes, benötigt aber 77% des globalen Ackerlandes. 1 kg Rindfleisch ist für 13 kg CO₂ verantwortlich, bei der gleichen Menge Hühnerfleisch entstehen 4 kg CO₂. Um hier etwas zu bewegen sollten wir uns auf 300 – 350 gr. Fleisch pro Woche und Person beschränken. Wild ist besser als alles kommerziell produzierte Fleisch.
  • Dem Fleisch und der Milch ist die Butter untergeordnet, die als eines der umweltschädlichsten Lebensmittel überhaupt gilt. Berechnen wir aus den vorgenannten Werten den Wasserbedarf für 250 gr. Butter, kommen wir je nachdem, welche Konsistenz die Butter und Fettgehalt die Milch hat, im Schnitt auf unglaubliche 3.454 L.
  • 250 ml-Filterkaffee setzt den Einsatz von 140 L Frischwasser voraus und hinterlässt in Form von Kaffeekapseln 1 kg Müll pro kg Kaffee.
  • 1 kg Avocado braucht bis zur Ernte unfassbare 1000 L Wasser.
  • Die Mandel bleibt in der Kategorie Wasserkonsum im negativen Sinne Siegerin: Für 1 kg Mandeln werden 10.240 L Wasser benötigt, was 12 L pro Mandel entspricht.
  • Trotz dieses massiven Wasserverbrauchs schneidet Mandelmilch insgesamt besser ab als Kuhmilch. Mandelmilch emittiert 500 gr. CO₂/L, während etwa 3 kg CO₂/L Kuhmilch in die Umwelt entweichen.
  • Wegen der Kennzeichnungspflicht muss Biogemüse abgepackt werden, wenn es neben konventionell produziertem Gemüse im Supermarkt angeboten wird. Unter der Prämisse, als Konsument für gesetzlich vorgeschriebenen Müll verantwortlich zu sein, kann ich Biogemüse im Supermarkt kaufen. Nur wo ausschließlich Biogemüse verkauft wird, kann auf eine gesonderte Verpackung verzichtet werden.
  • Beim Mineralwasser gewinnt die Plastikflasche, wenn das Wasser von weit herkommt. Das Gewicht beim Transport ist hier ausschlaggebend für wesentlich größere CO₂-Emissionen als bei der Produktion von PET-Flaschen. Wenn man jedoch lokale Quellen hat (z.B. in Frankfurt: Hassia, Bad Vilbeler, etc.), sollte man das Mineralwasser ausschließlich in Glasflaschen kaufen, die bis zu 50-mal wiederverwendet werden können. Hier macht es weitaus weniger Sinn, die PET-Flasche nur einmal zu verwenden, bevor sie für das Recycling geschreddert wird.
  • Beim Vergleich von Glas mit Konservendosen gibt es keinen Sieger, wenn die Behältnisse nur einmal benutzt werden. Beide liegen bei den Emissionen ungefähr gleichauf. Ist der Transportweg weiter, verliert das Glas. Verwendet man das gewaschene Glas im Haushalt weiter, gewinnt es gegenüber der Dose.
  • Der CO₂-Fußabdruck für die Hundehaltung liegt je nach Größe des Hundes zwischen 770 – 2.500 kg/Jahr und hängt hauptsächlich mit der Nahrung der Vierbeiner zusammen. Eine vegetarische Ernährung der Hunde könnte ⅔ der Emissionen vermeiden.
  • Das Gesundheitswesen ist für 6% der gesamten Kohlenstoffdioxidemissionen in Deutschland verantwortlich.
  • Licht sollte man nur einschalten, wenn man es braucht (Kühlschrankprinzip). Eine 100W-Glühbirne ist für 300 kg CO₂/Jahr verantwortlich, wenn sie durchgehend eingeschaltet bleibt.
  • Sehr plakativ ist der Vergleich des Individuums: Ein Mensch aus Malawi (Südhalbkugel) kommt mit 200 kg CO₂-Emissionen pro Jahr aus. In Großbritannien (Nordhalbkugel) kommt ein Mensch mühelos auf 13.000 kg CO₂/Jahr.

Am Ende gilt der Grundsatz, der bei den meisten Vergleichen herangezogen wird:
Lokal hergestellte Produkte mit kurzen Lieferwegen, die saisonal verfügbar sind, stehen beim CO₂-Fußabdruck immer am besten da.

Der Weltraumtourismus ist wahrlich die schlimmste Idee, die Jeff Bezos mit Blue Origin, Sir Richard Branson mit Virgin Galactic oder Elon Musk mit SpaceX für Geld anbieten können. Diese Vergnügungsreisen einiger weniger und sehr wohlhabender Menschen produzieren zwischen 330.000 und 600.000 kg CO₂ pro Flug. Das ist mitnichten solidarisch und gehört verboten.

Am folgenden Beispiel zeigt sich eines von vielen Dilemmata, auf die man bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit stößt. Eine Jeanshose mit 600 gr.
Eigengewicht setzt für die Produktion mehr als doppelt so viel CO₂ frei, als eine 300 gr. schwere Polyesterhose. Das Verhältnis der Emissionen liegt bei 19:8 kg. Einzig die Entsorgung am Ende der Lebenszeit fällt zugunsten der Jeanshose aus, die theoretisch verwittern kann, während die Polyesterhose den Plastikmüllberg der Menschheit auf Jahrhunderte vergrößert und – Stichwort: Mikroplastik – niemals vollständig verschwinden wird.

Bei der Verpackungsentsorgung können Joghurtbecher, Frischkäsebehälter, Schokopuddingbecher, Margarinebehältnisse usw. ungewaschen in die gelbe Tonne. Der Wasserverbrauch für die Reinigung ist in den privaten Haushalten unnötig, weil das geschredderte Plastik vor der Weiterverarbeitung in jedem Fall gewaschen wird. Allerdings sollte man die Verpackungen auseinandernehmen, den Papieranteil ins Altpapier und nur das reine Plastik ins Recycling. Beim Altglas sollte der Deckel des Glases nicht mit in den Glascontainer geworfen werden, sondern in die gelbe Tonne. Hier kann jeder mithelfen, den Arbeitsaufwand und Einsatz von Energie zum Trennen der Müllarten bei den Entsorgungsbetrieben zu minimieren.

Wo steht Deutschland?
Bei der Betrachtung von Deutschlands Beitrag zum weltweiten CO₂-Ausstoß, der bei 2% liegt, kommt man schnell zu der bequemen Haltung, die sich oft und gerne Politiker zu eigen machen:
Unsere Emissionen sind winzig. Bevor der Planet etwas davon mitbekommt, müssen erst größere Emittenten wie China und die USA mitmachen. Wir dürfen hier nicht den Fehler machen, nur auf die letzten 10 oder 50 Jahre zu blicken. Deutschland hat alle 4 industriellen Revolutionen mitgemacht und emittiert somit seit mehr als 170 Jahren fleißig CO₂. China hat Deutschland bei den Emissionen erst viel später überholt. Und der pro Kopf Kohlenstoffdioxid-Ausstoß liegt in Deutschland wesentlich höher, als in China.
Wenn wir unseren derzeitigen CO₂-Beitrag nur von 2 auf 1% halbieren, hat dies bereits deutliche Auswirkungen, allen voran als Wegweiser für andere Nationen. Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten und Arbeitgeber, Unternehmen, Schulen und Stadtverwaltungen auf ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen hinweisen.

Mein eigener Beitrag ist sicher nicht so groß, wie ich mir das wünsche. Viel wichtiger ist jedoch der Druck auf Politik und Wirtschaft, den ich ausüben kann. Unsere Bescheidenheit treibt uns dazu an, andere nachzuahmen. Was jeder einzelne also unternimmt, um seinen CO₂-Fußabdruck zu reduzieren, macht es für Mitmenschen einfacher, es uns gleichzutun. Wir ebnen
jenen den Weg, die sich nicht trauen, einem nachhaltigen Trend zu folgen. Auf diese Weise wird der verschwenderische Umgang mit Ressourcen und CO₂ bald als unverantwortlich und dumm angesehen. Dies treibt Unternehmen an, umweltfreundlichere Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Nur diese wortlose Sprache, unser Konsumverhalten, wird von Produzenten und Politikern verstanden.

Eine Anleitung in 4 Schritten
Die nachfolgende Anleitung stellt nur eine Empfehlung des Autors dar. Sie ist mal mehr, mal weniger radikal und mit diversen Abstufungen versehen. Jeder Verbraucher muss für sich selbst den richtigen Kompromiss der finden. Die Waage in Schritt 2 ist hier sehr hilfreich. Der oft absurd erscheinende radikalste Weg wäre jedoch aus Sicht des Klimaschutzes die effektivste und einzig vollumfänglich vertretbare Maßnahme, um dem Planeten schnell und nachhaltig zu helfen. Dazu später mehr.

Schritt 1: Verstehen wir unseren eigenen Fußabdruck?

  • Können wir bewusster Lebensmittel und Getränke einkaufen?
  • Wie oft gehen wir in Restaurants essen?
  • Schlafen wir häufig in Hotels?
  • Wie wohnen wir und wo können wir etwas tun, um das Klima zu schonen?
  • Berücksichtigen wir beim heizen mit fossilen Brennstoffen alle ressourcenschonenden Tipps & Tricks zum Sparen?
  • Wie gehen wir zu Hause mit Elektrizität um?
  • Ist unser Fahrverhalten zeitgemäß und muss es immer das Auto sein?
  • Welchen Beitrag zum CO₂-Ausstoß hat unser Auto bei der Produktion geleistet?
  • Muss es wirklich schon wieder ein neues Auto sein?
  • Müssen wir 3-mal im Jahr in den Urlaub fliegen?
  • Wie steht es um die Nutzung von Fähren und Schiffen?
  • Können wir den ÖPNV häufiger als Alternative zum Auto nutzen?
  • Wie gestalten sich unsere Anschaffungen? Sind das immer die Verbrauchsärmsten beim Energiebedarf?
  • Wie umweltfreundlich ist unser Freizeit-, Erholungs- und Unterhaltungsverhalten?
  • Müssen wir immer fremde Dienstleistungen zukaufen oder kann die Do-it-yourself-Nation Deutschland das auch ohne Spezialisten regeln?
  • Wie groß ist unser Wasserverbrauch bzw. unsere Einleitung von Abwasser?
  • Wie groß ist das von uns produzierte Müllvolumen?
  • Müssen wir immer das Gesundheitssystem strapazieren?
  • Tut es auch ein online-Kurs oder müssen wir jedes Mal zu einer Fortbildung fahren?


Schritt 2: Schlachtfelder wählen

Im Schritt 1 ist sicher für jeden etwas dabei. Das wählen wir nach persönlicher Priorität aus und versuchen Wege zu finden, die damit verbundenen Emissionen durch kleine oder große Veränderungen zu reduzieren. Dabei hilf diese Waage:

Ich möchte Geld sparen oder habe dafür kein Geld

Ist mir egal, ob es Geld kostet

Ich möchte Zeit sparen

Ich kann mir dafür Zeit nehmen

Ich möchte dabei gesünder werden

Ich kümmere mich an anderer Stelle um meine Gesundheit

Das Projekt soll Spaß machen

Es darf nicht zu komplex sein

Schritt 3: Konkrete Maßnahmen
Wir betrachten die Aufzählung aus Schritt 1 mit Blick auf unsere Priorität in Schritt 2 und leiten daraus konkrete Maßnahmen ab:

Lebensmittel

  • Weniger Fleisch und Milchprodukte verzehren.
  • Häufiger, aber weniger einkaufen und alles essen, was eingekauft wurde (Abfallvermeidung).
  • Nahrung vermeiden, die eingeflogen wird.
  • Verpackungen reduzieren.


Reisen

  • Weniger Autofahren oder Auto ganz abschaffen.
  • Mitfahren, statt alleine im Auto sitzen.
  • Umsichtig und vorausschauend fahren, der Fahrstil kann Wunder bewirken.
  • Vor der Anschaffung eines neuen Autos abwägen, ob das wirklich nötig ist.
  • Mehr Züge nutzen, statt zu fliegen.
  • Videokonferenzen statt persönlichen Meetings mit Fluganreise (schönen Gruß aus der Corona-Pandemie).
  • Näher am Wohnort Urlaub machen.
  • Economy statt Business fliegen.
  • Kreuzfahrten meiden.


Energie

  • Erneuerbare Energie einkaufen, unser Versorger kann das liefern – falls nicht, Anbieter wechseln.
  • Licht (siehe oben) und Geräte, die man nicht braucht, nachts und im Urlaub ausschalten bzw. vom Stromnetz trennen.
  • Nur in den Räumen heizen, in denen wir uns aufhalten.
  • Heizkörper mit smarten Thermostaten ausrüsten.
  • Pullover und dicke Socken gegen die Kälte tragen und bei wenig Bewegung (z.B. beim Fernsehen) mit Wolldecke zudecken. Hat beim Verzicht auf Gas aus Russland und mit dem Aufruf zum kollektiven Sparen seitens der Bundesregierung auch funktioniert.
  • Wärmflasche nutzen.
  • Waschmaschine und Geschirrspüler nur gut gefüllt und bei möglichst niedrigen Temperaturen betreiben (ohne dass es schmutzig bleibt).
  • Wäsche zum Trocknen aufhängen – ist gut für die Luftfeuchtigkeit in geheizten Räumen und schont die Kleidung, die im Trockner i.d.R. leidet; Räume dabei nicht extra zum Wäschetrocknen aufheizen! Luftzirkulation reicht.
  • Nur so viel Wasser kochen, wie wirklich benötigt wird – und überschüssiges heißes Wasser für den Abwasch nutzen, statt das heiße Wasser aufzudrehen (und viel Wasser zu verbrauchen, biss es heiß aus dem Hahn kommt).
  • Kurz und mit wenig Wasser duschen.
  • Überall LED-Leuchtmittel einsetzen.


Kleidung

  • Seltener neue Kleidung kaufen.
  • Recycelte oder nachwachsende Materialien wählen.
  • Kleidung nur waschen, wenn es wirklich nötig ist.
  • Statt Kleidung im Restmüll zu entsorgen, reparieren (lassen) oder der Altkleidersammlung zuführen.
  • Heutzutage sind Vintage-Klamotten aus 2. Hand die nachhaltigste Lösung.
  • Garderobe insgesamt verkleinern! Hand auf’s Herz: Wie viele Sachen haben wir nur ein- oder zweimal getragen?


Möbel

  • Gebrauchte Möbel kaufen oder verkaufen.
  • Nachhaltige Materialien wählen.
  • Eigene Möbel aus Teilen altgedienter Möbel selbst bauen. Man hat einen ganz anderen Bezug zu Selsbtgemachtem.
  • Möbel selbst reparieren.
  • Recycling gilt in hohem Maße auch für Möbel, also vor dem Entsorgen sorgfältig Trennen.
  • Beim Umzug die alte Küche mitnehmen, solange sie funktioniert; die Küchenmöbel müssen nicht alle gleich aussehen, das versprüht einen ganz eigenen Charme.
  • Wenn kein Weg um neue Möbel herumführt, dann sollten es welche sein, die nachhaltig, langlebig, reparierbar sind in nachfolgenden Generationen weiterleben können.


Geräte

  • In Zeiten von Youtube ist selbst reparieren angesagt. Wir können uns also viel mehr zutrauen.
  • Geräte aus zweiter Hand mögen vielleicht nicht so schick sein, sie verbrauchen jedoch weniger CO₂, als für die Herstellung neuer Geräte (noch) in die Luft geblasen wird – und man spart viel Geld.
  • Wenn eine Neuanschaffung unumgänglich ist, sollte ein Hersteller ausgewählt werden, der langlebige, reparierbare und energieeffiziente Geräte anbietet.
  • Qualitätsgeräte verdienen unsere Aufmerksamkeit und Pflege, damit sie möglichst lange halten.
  • Handys sollten wir mindestens 5 Jahre lang nutzen, statt uns den 2-Jahreszyklus von den Herstellern aufzwingen zu lassen. Irgendwann werden sie verstehen, dass wir nicht alle 2 Jahre ein neues Smartphone brauchen.
  • Wann immer die Möglichkeit dazu besteht, WLAN statt Mobile Daten nutzen.
  • Laptops sollten wir mindestens 10 Jahre und TV’s mindestens 15 Jahre nutzen.
  • Für Filmgenuss gehen wir ins Kino, weil Nachrichtensendungen und die sinnentleerte Fleischbeschau bei Big Brother auf 2,5 m Bildschirmdiagonale im eigenen Wohnzimmer maßlos sind.


Spielzeug

  • Kinder brauchen zum Spielen eigentlich gar kein Spielzeug. Das freie Spiel ohne vorgegebene Charaktere (z.B. „die Eiskönigin“) oder Formen/Themen (z.B. Lego-Technik oder Playmobil-Polizeistation) bringt die eigene Phantasie zum Blühen. Es ist dabei sogar nachweislich von Vorteil, wenn die Kleinen über Langeweile klagen.
  • Bei der Auswahl von Spielzeug darauf achten, das es Raum für Improvisation und Erfindungen lässt.
  • Spielzeugclubs oder (Stadt-)Bibliotheken haben Spielzeug zum Ausleihen, was der tatsächlich praktizierten Nutzung von Spielzeug viel näher kommt. Damit wird auch ganz nebenbei der schonende Umgang mit Spielzeug erlernt, weil es ja nicht unser Eigentum ist und heil zurückgebracht werden muss.
  • Spielzeug aus zweiter Hand lässt sich genauso gut bespielen, wie Nagelneues.
  • Wir können Spielsachen innerhalb der Verwandtschaft weitergeben.


Hobbys

  • Sport oder Gartenarbeit machen wir am besten in der näheren Umgebung (falls kein eigener Garten vor der Tür liegt). Lange Fahrten zu Downhill-Mountainbike-Challenges sind vollkommen sinnfrei.
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten, z.B. Baumpflege oder Hilfe bei der Gartenarbeit von Menschen, die dazu nicht oder nicht mehr in der Lage sind oder die sich nicht dafür interessieren, bergen zumeist eine Win-Win-Situation.


Größere Veränderungen

  • Dachboden und Außenwände isolieren.
  • Fenster mit Doppel- oder Dreifachverglasung einbauen.
  • Solaranlage einbauen.
  • Wärmepumpe einbauen.
  • Auf smartes Heizsystem umrüsten.


Lebensstil

  • Falls das Haus zu groß ist, sollten wir uns verkleinern oder Räume untervermieten, um die existenten Ressourcen zu nutzen und effizient zu erhalten.
  • Druck auf den Vermieter ausüben, die Energie- und CO₂-Bilanz des Gebäudes zu verbessern.

Schritt 4: Machen!
Nachdem wir uns gründlich Gedanken gemacht haben, geht es an die Umsetzung. Wir arbeiten unsere eigene Bucket-list (Aufgabenliste) einen nach dem anderen Punkt ab. Das fühlt sich nach kurzer Zeit richtig gut an und regt zur Nachahmung an!

Der ganz eigene Moment
Vor einigen Jahren habe ich mir einen Gasgrill gekauft. Ich war davon überzeugt, dass die Verbrennung von Kohle umweltschädlicher ist, als das Gas, was besser dosiert werden kann. Nach dem Grillen, stellt man den Grill ab und die Emissionen sind damit beendet. Dann habe ich mich beruflich mit Nachhaltigkeit beschäftigt und gelangte schnell zu der Erkenntnis, dass Kohle im natürlichen Kreislauf beim Verbrennen nicht mehr CO₂ emittiert, als es beim Wachstum des Holzes aus der Luft gezogen hat, also im natürlichen Kreislauf bleibt. Ich war davon überzeugt, dass die Anschaffung des Gasgrills sich nunmehr als Fehlinvestition darstellte. Fortan wurde der Einsatz des Gasgrills vermieden.
Dann erfuhr ich, dass mehr als 90% der Grillkohle aus Akazienholz hergestellt wird, welches in Südamerika schnell wächst und in großen Mengen exportiert wird. Lokal hergestellte Holzkohle gibt es nur in vergleichsweise geringen Mengen und der Gasgrill steht unter diesen Gesichtspunkten wieder als Sieger da.
Dieses Beispiel unterstreicht die Wichtigkeit der Begleitumstände, die wir normalerweise nie erfahren. Es ist der Kommerz, der dafür verantwortlich ist, dass die Holzkohle bei diesem Vergleich als Verlierer dasteht. Es gilt daher, nachzufragen, viel Information durch die Lektüre adäquater Literatur zu erlangen und die proaktive Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit. Ständig gibt es neue Erkenntnisse, die im Resultat eine einschneidende Wirkung haben. Und manchmal kommt dann die eine Aussage, die alles bisherige in Frage stellt. Das war aber noch nie anders, wenn es um neue Erkenntnisse geht. Man denke nur an die Corona-Pandemie.
»Wir erleben eine neue Normalität mitten in einer Katastrophe³. Und es ist unwahrscheinlich, dass sich das bald ändert. (…) Doch leider wirkt diese Ermüdung auch in die Politik hinein. Denn ist das Thema weniger präsent, sinkt auch der Druck auf die Regierung, klimapolitisch durchzugreifen.« (Zitat von Susanne Götze, Wissenschaftsressort – Der Spiegel).

Ich habe die Absicht, meinen 4 Kindern Wege aufzuzeigen, wie es besser gemacht werden kann. Die Gesellschaften haben sich über Jahrzehnte falsch verhalten – befeuert von 4 industriellen Revolutionen und angetrieben von der Profitorientierung aller Konzerne. Eine substanzielle Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit, wird mein Jahrgang zu Lebzeiten vermutlich nicht mehr erfahren. Und dennoch kann ich, können wir alle den Grundstein dafür legen, dass Nachhaltigkeit nicht als Übel, sondern als Lebensnotwendig verstanden wird. Der Weltklimarat IPCC⁴ sagt bereits heute, dass die Reduzierung oder Vermeidung von CO₂-Emissionen für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 nicht ausreichend sein wird. Faktisch müssen wir der Luft bei allen Anstrengungen zur Vermeidung/Reduktion neuer Emissionen zusätzlich aktiv CO₂ entziehen, um das Ziel zu erreichen.

Noch einmal:
Es kann und muss nicht jeder in allen Punkten perfekt sein. Aber in Summe können wir gemeinsam einen Unterschied machen und in unserem täglichen Leben dafür sorgen, dass die Erde und unsere Nachkommen eine bessere Zukunft haben. Auf die schnelle funktioniert das aber nicht, wir müssen als Gemeinschaft all das zurückfahren, was die Menschheit nach 4 industriellen Revolutionen in mehr als 150 Jahren als normal empfindet. Das wird Jahrzehnte dauern, die der Planet uns sehr wahrscheinlich nicht mehr in der bisherigen Lebensqualität geben kann. Deshalb müssen wir schnellstmöglich damit anfangen! Erst nachdem wir Nachhaltigkeit erreicht haben, können wir alles über Generationen „Althergebrachte“ auf einer nachhaltigen Basis wieder hochskalieren. Wir haben die Chance, als erste Generation der Menschheitsgeschichte Nachhaltigkeit zu erreichen und wir sollten sie nutzen.

Über den Autoren
Paulo Santos, Jahrgang 1967, ist zertifizierter Sustainability Expert sowie Corporate Digital Responsibility Expert und zusätzlich für nachhaltige Beschaffung im Zusammenhang mit dem Lieferkettengesetz sowie kreativem Marketing für Verhaltensänderung und Förderung von Nachhaltigkeit geschult. 90% der Kleidung und 50 % der Spielsachen seiner 6 und 9 Jahre alten Kinder beschafft der aus dem Vertrieb kommende, vierfache Vater seit Jahren auf speziell darauf ausgerichteten und vorsortierten Flohmärkten. Auch das Repair-Café in Hanau zählt zu den regelmäßig besuchten Einrichtungen, um auch elektronischen Gebrauchsgegenständen eine weitere Chance zu geben, bevor Ersatz in Erwägung gezogen wird. Von den zumeist netten sozialen Kontakten mit Gleichgesinnten einmal ganz abgesehen, ist das für den gebürtigen Maintaler eine gelebte Überzeugung, derer man sich ihrer Nachhaltigkeit wegen nicht zu schämen braucht.

Quellenangaben:
¹ https://www.statista.com/
² Oxford University, „Environmental impacts of food production“, 2018
³ https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimakrise-das-neue-normal-warum-wir-uns-an-den-klimahorror-gewoehnt-haben-a-42045591-267d-4b78-b4a2-f459f3182fbb?sara_ref=re-xx-cp-sh
⁴ IPCC = Intergovernmental Panel on Climate Change

14. März 2024

Und auf was wartest Du?

Lob ist immer willkommen, nicht wahr? Egal, für was wir großen oder kleinen Menschen es uns verdienen, es fühlt sich richtig und gut an. Als motivationspsychologisches Instrument steigert es unser Selbstwertgefühl und ist Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Betrachtung. Im Ergebnis sehen wir uns darin bestätigt, genau damit weiterzumachen, um weitergelobt zu werden. Wer bei kleinanzeigen.de (vormals ebay-kleinanzeigen.de) etwas verkauft, erhält in dem Moment ein Lob, in dem die Anzeige gelöscht wird. Es wird positiv davon ausgegangen, dass etwas im Kreislauf bleibt, statt es der Entsorgung, gleich welcher Art, zuzuführen. Im Kreislauf bleiben bedeutet an dieser Stelle, das Stadium der Nutzung zu verlängern. Durch die weitere Verwendung werden weniger neue Artikel benötigt. Das hat zur Folge, dass weniger produziert, damit weniger CO2 in die Luft geblasen wird und weniger im Müll landet. Hierin liegt der eigentliche Lobesgrund: Wir schonen die Ressourcen, das Klima und die Umwelt.

Aber was bedeutet das in der Praxis? Wenn wir bestimmte Artikel und deren Fußabdruck isoliert betrachten, ist kaum zu glauben, welch großen Schaden wir mit unserem Konsumverhalten verursachen. An dieser Stelle ein kurzer Verweis auf ein Interview mit der Politökonomin und Transformationsforscherin Prof. Maja Göpel beim RBB¹, welches bereits im Jahr 2020 geführt wurde. Man kann es einfach kaum treffender zusammenfassen: Wir müssen lernen, uns in Zurückhaltung zu üben.

Klar, jeder Konsumierende für sich betrachtet verursacht keinen großen Schaden. Der Klimawandel wird von der Mehrheit der Menschen als Tatsache akzeptiert. Die meisten wissen, was zu tun ist, um nachhaltiger zu leben, setzen ihr Leben aber ohne größere Verhaltensänderungen fort. Unsere Spezies besetzt den Planeten jedoch mit mittlerweile mehr als acht Milliarden Menschen und die meisten Länder der Nordhalbkugel befeuern den Verfall der Erde mit übermäßigem Ressourcenverbrauch und entsprechenden CO2-Emissionen. Dabei
dauert es Studien zufolge je nach Gewohnheit und Person im Schnitt nur 66 Tage, um neue Gewohnheiten zu etablieren, sie in die Tagesroutine zu integrieren und als normal zu empfinden.

Mal angenommen, nur 1% der Weltbevölkerung gibt gebrauchten Sachen ein zweites oder drittes Leben, verschenkt oder verkauft Klamotten, Geschirr, Bücher, Spiele & Spielsachen, Dekomaterialien, DVDs, Platten, Unterhaltungselektronik, Werkzeuge, Kabel, Möbel, usw. auf dem Flohmarkt, bleiben diese Sachen länger im Kreislauf und bei manchen Artikeln steigt der Wert mit zunehmendem Alter sogar. 1% wären 80 Millionen Menschen, annähernd die Bevölkerungsgröße Deutschlands, die einen aktiven Beitrag zum Verzicht auf eine Neuanschaffung leisten. Damit einher gehen Müllvermeidung und die Einsparung von CO2-Emissionen, die bei der Produktion und Transport, usw. entstehen. Das ist eine nachhaltige Einstellung zum Erhalt unseres Planeten – dem einzigen, der der Menschheit für diesen Zweck zur Verfügung steht.

Aber nochmal einen Schritt zurück zu den erschreckenden Folgen unseres ungezügelten Konsums am Beispiel der Textilindustrie, speziell Fast Fashion. SheIn und Temu verschicken zusammen 9.000 Tonnen Klamotten – täglich und nur in die USA! Mal abgesehen von Faktoren wie schlechter Produktqualität, Fälschungen, ausgefallenen Zollgebühren, Steuerhinterziehung und Konsumwahn bedeutet diese Menge an Textilwaren ein Luftfrachtaufkommmen von 100 Boeing B777 pro Tag – nur mit dem Ziel USA! Hintereinander gestellt erreicht diese Flugzeugschlange eine Länge von 7,4 km. Führt man sich die für die Textilproduktion benötigten Wassermengen vor Augen, die zu den CO2-Emissionen für Produktion und (Luftfracht-) Transport addiert werden müssen, und multipliziert das mit vielen Zielmärkten der Erde, wird schnell klar, dass es kaum schlimmer geht.
Und wer IKEA die ökologisch korrekte Haltung abkauft, liegt vollkommen falsch. Eine sehenswerte Dokumentation von ARTE² räumt mit diesem Klischee auf. Die bestürzende Plünderung von Ressourcen für Fast Furniture ist nicht nur bei IKEA durch ihr raffiniertes Neuromarketing beklagenswert. Das Fast in Fast Furniture, Fast Fashion oder Fast Food bezieht sich auf den rasanten Turnus, in dem Massenprodukte gefertigt und durch gezielte Preisgestaltung und passendem Marketing konsumiert werden.

Wann welches Land die natürlichen Ressourcen im Jahr 2023 aufgebraucht haben würde, zeigt folgende, auf Daten des Jahres 2022 basierende Grafik von Greenpeace:

Das sind jetzt nur zwei Beispiele aus vollkommen unterschiedlichen, profitorientierten Branchen, aber sie stehen für sich und in krassem Widerspruch zur UN-Resolution Nr. A/RES/73/300³ vom 28. Juli 2022. Darin wird das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt anerkannt. Leider ist die Resolution nur ein Gesetz mit politischer Symbolkraft. Wenn sich die Unternehmen schon nicht daran halten, haben wir Konsumierenden es alleine in der Hand. Und am Ende hängt ihr Erfolg von unserem Verhalten ab.

Jetzt fragen sich viele sicher, was und wie wir als kleines Land schon bewegen können, wenn wir doch ungezählte Konsumartikel dank Globalisierung aus aller Herren Länder billig importieren, oder mit Komponenten internationaler Herkunft, z.B. Autos in Deutschland (oder in Ländern mit weniger Auflagen) endmontieren. Hier kommt das Lieferkettengesetz⁴ (LkSG) zu Hilfe, welches bereits seit 2023 in Kraft ist. Grob zusammengefasst kann ein Unternehmen nur so „grün“ sein, wie seine Zulieferer es dabei unterstützen. Das bringt die Lieferanten in Zugzwang, ebenfalls über nachhaltiges Wirtschaften nachzudenken, weil sie sonst Gefahr laufen, Kunden aus Deutschland zu verlieren, weil sie selbst nicht auf Arbeitsschutz, faire Bezahlung, Menschenrechte, Verzicht auf Kinderarbeit, Bezug von Energie aus nachhaltigen Quellen, kontrollierten CO2-Emissionen etc. achten. Und den im Ausland produzierenden deutschen Unternehmen kann damit auch gründlicher auf die Finger geschaut werden, weil diese Daten ebenfalls in die deutschen Nachhaltigkeitsreports einfließen. 15.000 Unternehmen sind seit 01.01.2024 zu diesen jährlichen Reports verpflichtet.

Das EU-Pendant zum LkSG, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist in Brüssel übrigens am 29.02.2024 zum zweiten Mal krachend gescheitert und damit zunächst vom Tisch. Es ist fast schon schäbig, wie eine wertvolle und respektsteigernde Initiative, durch die Europa eine weltweite Vorreiterrolle zuteilgeworden wäre, auf dem Altar der Profitabilität geopfert wurde. Deutschlands Enthaltung – absurderweise durch eine ≤4%-Partei verursacht – lässt manch andere Nationen an der politischen Zuverlässigkeit Deutschlands zweifeln.

Mit dem LkSG wird dennoch parallel eine Welle der Transformation in Gang gesetzt, was zur Folge hat, dass an vielen Orten auf der Welt ein Beitrag geleistet wird und aus 80 Millionen ganz schnell 800 Millionen werden können – mehr als der europäische Kontinent Einwohner hat. Das CSDDD wäre hierfür ein exzellenter Multiplikator gewesen. Daher ist es so wichtig, in der Breite aktiv zu werden und den nächsten Generationen vorzuleben, wie es besser, wie es richtig gemacht wird. Dazu wird es in loser Folge noch ein paar Tipps von mir geben. Eine gelebte
Flohmarktkultur ist einer davon und ein richtiger Ansatz, ein sogenannter Handabdruck⁵, der die nachhaltige Veränderung der Zivilgesellschaften initial zündet.

1972 erschien das Buch Die Grenzen des Wachstums von Donella H. Meadows, eine vom Club of Rome beauftragte Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft, die von der Volkswagenstiftung mit 1 Million D-Mark mitfinanziert wurde. Die Studie kommt zu dieser zentralen Schlussfolgerung:
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Aber schon 15 Jahre davor hielt ein gewisser Ludwig Erhard, seinerzeit Vizekanzler unter Konrad Adenauer, späterer Bundeskanzler und als Vater der sozialen Marktwirtschaft bezeichnet, in seinem Buch⁶ „Wohlstand für alle“ fest:
„Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer richtig und nützlich ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist, unter Verzichtleistung auf diesen ‚Fortschritt‘ mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.“

Schneller als in der Club-of-Rome-Prognose vorhergesagt, sind viele Tatsachen bereits im Jahre 2024 real. Der beste Zeitpunkt umzusteuern, zur Rückbesinnung auf das Wesentliche, Verzicht und wirklicher Lebensqualität, wie sie Ludwig Erhard beschreibt, war folglich in den 1970er Jahren. Allerdings ist es noch nicht zu spät, der zweitbeste Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt. Noch einmal:
Wir, Du, ich und alle anderen Verbraucher haben es in der Hand. Auf die lobbygesteuerte Politik können wir uns nicht verlassen. Das Motto muss heißen:
Auf geht‘s, auf was warten wir noch?

Über den Autoren
Paulo Santos, Jahrgang 1967, ist zertifizierter Sustainability Expert sowie Corporate Digital Responsibility Expert und zusätzlich für nachhaltige Beschaffung im Zusammenhang mit dem Lieferkettengesetz sowie kreativem Marketing für Verhaltensänderung und Förderung von Nachhaltigkeit geschult. 90% der Kleidung und 50 % der Spielsachen seiner 6 und 9 Jahre alten Kinder beschafft der aus dem Vertrieb kommende, vierfache Vater seit Jahren auf speziell darauf ausgerichteten und vorsortierten Flohmärkten. Auch das Repair-Café in Hanau zählt zu den regelmäßig besuchten Einrichtungen, um auch elektronischen Gebrauchsgegenständen eine weitere Chance zu geben, bevor Ersatz in Erwägung gezogen wird. Von den zumeist netten sozialen Kontakten mit Gleichgesinnten einmal ganz abgesehen, ist das für den gebürtigen Maintaler eine gelebte Überzeugung, derer man sich ihrer Nachhaltigkeit wegen nicht zu schämen braucht.

Legende

¹ https://youtu.be/-SDnn911fzc
² https://www.arte.tv/de/videos/112297-000-A/wie-ikea-den-planeten-pluendert/
³ https://www.un.org/Depts/german/gv-76/band3/ar76300.pdf
⁴ LkSG = Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz = Lieferkettengesetz
https://www.handabdruck.eu/was-ist-der-handabdruck
⁶ „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard, Düsseldorf, Econ, 1957)

Hanauer Anzeiger | 14. Februar.2024

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